Väter der Ordnungspolitik

Als „Väter der Ordnungspolitik“ können die Begründer und führenden Vertreter der „Freiburger Schule der Nationalökonomie“ sowie verschiedene Vertreter der „Österreichischen Marktprozesstheorie“ gelten. Ausgehend vom klassischen Liberalismus und den negativen Erfahrungen mit der Laissez-faire-Wirtschaft haben diese Wissenschaftler das Konzept von einem „Ordnungsrahmen für marktwirtschaftliche Systeme“ entwickelt.

Ihr Theoriegebäude wird daher auch „Ordo-Liberalismus“ genannt. Neben dem fundamentalen Beitrag Walter Euckens haben zum Ordo-Liberalismus insbesondere Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth beigetragen, des weiteren auch die Berliner Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow. Das gleiche gilt auch für den „österreichischen“ Ökonomen Friedrich August von Hayek. In den Arbeiten aller dieser Wissenschaftler steht das „Denken in Ordnungen“ im Vordergrund, wobei die Wirtschaftsordnung so gestaltet sein soll, dass der Wettbewerb und die individuelle Freiheit der Bürger geschützt werden.

Später wurden die Ideen des Ordo-Liberalismus begründend für das Konzept der „Sozialen Marktwirtschaft“, welche seit 1948 von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack in Westdeutschland eingeführt wurde. Wie fast alle Industrienationen steht auch Deutschland heute vor großen Aufgaben. Das „Denken in Ordnungen“ im Sinne der Ordo-Liberalen ist daher höchst aktuell.

Franz Böhm

Franz Böhm (1895-1977)

Franz Boehm

Franz Boehm

Franz Böhm wurde am 16. Februar 1895 in Konstanz geboren. Nach seiner Teilnahme am I. Weltkrieg studierte er in Freiburg Rechts- und Staatswissenschaften und wurde im Anschluss an sein Assessor-Examen 1924 in Freiburg zum Staatsanwalt ernannt. Seit 1925 konnte er praktische wirtschaftspolitische Erfahrungen als Referent in der Kartellabteilung des Reichswirtschaftsministeriums in Berlin sammeln. Im Jahre 1926 heiratete er die Tochter von Ricarda Huch, Marietta Ceconi. 1932 wurde er an der Universität Freiburg promoviert, bereits im folgenden Jahr mit einer Arbeit zum Thema „Wettbewerb und Monopolkampf“ habilitiert.

1936 begründete Franz Böhm zusammen mit Walter Eucken und Hans Großmann-Doerth die Schriftenreihe „Ordnung der Wirtschaft“, in welcher als erster Band seine eigene grundlegende Schrift „Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung“ erschien.

Da Franz Böhm während der 30er Jahre auch als Vertreter von Mitbürgern jüdischen Glaubens auftrat, wurde ihm entgegen vorangegangenen Plänen kein Lehrstuhl in Freiburg angeboten. In Jena, wo Böhm inzwischen tätig geworden war, wurde ihm 1940 wegen Kritik am nationalsozialistischen System die Lehrbefugnis entzogen. Erst 1945 erhielt er den Ruf nach Freiburg, später nach Frankfurt a. M.

Bereits 1945 war Franz Böhm kurzfristig als Berater des US-Hauptquartiers für Fragen der Dekartellisierung in Deutschland tätig. Später arbeitete er in der Sachverständigenkommission des Länderrates in der Bizone an der Ausarbeitung eines neuen Kartellgesetzes. Innerhalb der Kommission, der auch Walter Eucken und Ludwig Erhard angehörten, trat er insbesondere für die schnelle Einführung einer umfassenden „Wettbewerbsordnung“ sowie einer Währungsreform ein. Seit 1948 wirkte Franz Böhm als Mitglied des „Wissenschaftlichen Beirates bei der Verwaltung für Wirtschaft im Vereinigten Wirtschaftsgebiet“, welcher kurze Zeit später zum „Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium“ wurde.

Von 1953 bis 1965 war Franz Böhm für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier setzte er sich – auch gegen starken Widerstand aus der eigenen Partei – für das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ ein. Aktiv arbeitete Böhm auch am deutsch-israelischen Dialog mit. Von 1955 bis 1965 fungierte er sogar als stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wiedergutmachung.

Franz Böhm war außerdem über viele Jahre Mitherausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“ sowie des Jahrbuches „ORDO“. Er starb am 26. September 1977 in Rockenberg. Insbesondere die „Wettbewerbsordnung“ und ihre Bedrohung durch Kartelle standen stets im Zentrum der wissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Arbeit von Franz Böhm. Damit ist er einer der entscheidenden Väter der Ordnungspolitik.

Zitate zur Ordnungspolitik

Die marktwirtschaftliche Ordnung

„Man kann sagen, daß die marktwirtschaftliche Ordnung ein bemerkenswert unverwüstliches System ist. Und leider ist es diese Eigenschaft, die den Menschen zu allen Zeiten dazu herausgefordert hat, auf diese marktwirtschaftliche Ordnung hin mit Interventionen zu sündigen und zwar in einem Ausmaß, das uns daran zweifeln lässt, ob tatsächlich die Weltgeschichte das Weltgericht ist. In der Marktwirtschaft handelt es sich jedenfalls um ein Weltgericht, dessen Mühlen ungeheuer langsam mahlen und letzten Endes immer ganz andere Leute treffen als diejenigen, die da gesündigt haben.“

Aus: Böhm, Franz (1958) Wettbewerbsfreiheit und Kartellfreiheit, ORDO, Bd. 10, S. 167-203.

 Die Funktionen des Wettbewerbs

„Zunächst müssen wir uns klar sein, daß der Wettbewerb im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung ein doppeltes ist, nämlich einmal ein tatsächlicher Zustand, eine sogenannte Marktform und zum andern ein subjektives Recht, eine Freiheit. Das subjektive Recht, die Wettbewerbsfreiheit, wird gewährt, damit der Wettbewerb als objektive Marktform Tatsache werde. […] Nur wenn die Wettbewerbsfreiheit ausgeübt wird, kann der Wettbewerb als eine objektive Form wirtschaftlichen Kooperierens entstehen, und nur wenn Wettbewerb entsteht, können Wettbewerbspreise zustande kommen, und nur diese Wettbewerbspreise steuern die Produktion und die Verteilung so, wie sie nach der Konzeption dieser Ordnung gesteuert werden sollte. […] der Wettbewerb ist eine Verfassungseinrichtung. Kommt kein Wettbewerb oder kein ausreichender Wettbewerb zustande, dann wird die verfassungsmäßig gewollte Lenkungskraft der Marktpreise beeinträchtigt. Güterproduktion und Verteilung werden in eine nicht gewollte Richtung dirigiert. Aber diese Fehllenkung der wirtschaftlichen Kooperation ist noch nicht einmal das Entscheidende. Noch schwerer wiegt die Störung des sozialen Gerechtigkeitsgehalts der freien marktwirtschaftlichen Systems. Es entsteht in den Händen von Privatpersonen Macht, die sie dazu instand setzt, ja geradezu dazu zwingt, Marktstrategie zu treiben, d.h. in die freie Wirtschaft hineinzuintervenieren, also etwas zu tun, was seinem Wesen nach Wirtschaftspolitik, Regierungsfunktion ist, nicht bloß privatwirtschaftliches Disponieren. Diese Macht hat die Natur eines feudalmäßigen Besitzstandes: freie Bürger werden der Botmäßigkeit anderer freier Bürger ausgesetzt und müssen sich von diesen ihren Mitbürgern zwangsmäßige Eingriffe in ihr berufliches und konsumtives Schicksal gefallen lassen, die sie von seiten ihrer Regierung nicht hinnehmen müssten.“

Aus: Böhm, Franz (1958) Wettbewerbsfreiheit und Kartellfreiheit, ORDO, Bd. 10, S. 167-203.

Wettbewerbs- und Kartellfreiheit

„Der Wettbewerb ist eine zentrale Einrichtung der freien Wirtschaftsordnung, und wenn es erlaubt ist, den Wettbewerb durch Verträge zu beschränken, wenn die Gerichte solche Verträge schützen, dann ist die Folge davon nicht nur die, daß sich die Vertragsbeteiligten selbst in ihrer Wettbewerbsfreiheit beschränken – das ist für sie in der Regel sogar vorteilhaft -, sondern auch die, daß in das Wirtschaftsschicksal, in das Marktschicksal und in die Freiheit dritter Personen, von Personen also, die außerhalb des Vertrages stehen, und zwar in der Regel sehr vieler Personen eingegriffen wird, zu ihrem mehr oder weniger großen Nachteil. […] Jeder Grad von Machtstellung auf Märkten muß durch mehr oder weniger brutale Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit anderer Individuen dauernd gesichert und verteidigt werden. Bei alledem geht es um eine künstliche und meistens auch noch gewaltmäßige Verknappung des Angebots, also um das krasse Gegenteil des Bedarfsdeckungsprinzips. Die Zeche haben letzten Endes immer die untersten Schichten der Gesellschaft zu zahlen. Eben dadurch unterscheidet sich ja die Monopolrente von den Unternehmergewinnen, die im Wettbewerb verdient werden.“

Aus: Böhm, Franz (1958) Wettbewerbsfreiheit und Kartellfreiheit, ORDO, Bd. 10, S. 167-203.

Ludwig Erhard
Walter Eucken
Hans Grossmann-Doerth
Friedrich August von Hayek
Alfred Müller-Armack
Wilhelm Röpke
Alexander Rüstow